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Galopp marsch! – Plädoyer für das Galoppieren im Gelände

Leseprobe aus Feine Hilfen 14, Dezember/Januar 2015/16. Den vollständigen Artikel finden Sie im Heft.

 

Von Katharina Möller

 

„Draußen nur – wenn du liebst – trägt dein Pferd dich recht. Draußen nur, unter freiem Himmel, ist es ganz königlich, ist es ganz Tier. Draußen nur ist es wirklich beschwingt (…). Hohe Schule – nun wohl. Aber die höchste Schulung: Willst du sie missen? Nur der Himmel, Geliebte, ist groß genug, dein Zelt zu sein, wenn du reitest.“ (Rudolf G. Binding)

 

Ich gebe gern zu: Galopp ist meine Lieblingsgangart und der Himmel ist gerade groß genug dafür. Betreibt man die Reiterei nicht im Sinne der modernen Dressur als Sportdisziplin auf dem Viereck, sondern betrachtet die Dressur als Gymnastizierung im Sinne der klassischen Reitkunst, so hält das Reiten im Gelände viele Übungsmöglichkeiten und natürliche Trainingsanreize bereit. Insbesondere, wenn es um die Ausbildung des Galopps geht, fällt dem klassisch angerittenen Jungpferd das Galoppieren im Gelände zunächst leichter. Mit dem weiter ausgebildeten Pferd machen viele klassische Lektionen draußen umso mehr Freude. Im Anschluss möchte ich einige Übungsbeispiele für Galopparbeit für Pferde auf unterschiedlichem Ausbildungsstand beschreiben.

 

Grundsätzliches

Die „klassische Ausführung“ der Lektionen beinhaltet neben zeitloser Schönheit in der Praxis ja vor allem naturnahe, harmonische, gemeinsame Bewegung. Beim gezielten Training im Gelände ist dieses heute sogenannte biomechanisch korrekte Reiten sinnstiftend: Wenn Pferd und Reiter im Gleichgewicht sind, ist das Reiten auf verschiedenen Untergründen und in Wendungen sicher. Wenn das Pferd von der Basis her korrekt ausgebildet wird, ist und bleibt es auch in den Galopplektionen mühelos kontrollierbar. Die Hilfengebung des Reiters muss aus einem unabhängigen Sitz erfolgen und die Zusammenstellung der Übungen muss auf die Erhaltung und Verbesserung der Losgelassenheit abzielen – anders lässt sich keine Durchlässigkeit erreichen, und dann funktioniert das Reiten, insbesondere das Galoppieren, im Gelände einfach nicht.
In diesem Zusammenhang sei das (Galopp-)Training im Gelände auch als Gradmesser für die bisherige Ausbildungsarbeit genannt: Wenn der Ausritt allen Beteiligten Freude macht, wenn das Pferd freiwillig beim Reiter und unspektakulär an den Hilfen bleibt, dann sind wir sprichwörtlich auf einem guten Weg!

Langfristige Vorbereitung

Ich setze darauf, die jungen Pferde so früh wie möglich an das Gelände zu gewöhnen. Die Zielsetzung lautet, rund ums Jahr zweimal pro Woche nach draußen zu gehen. Anfangs findet das in Form von Spaziergängen an der Hand statt, die dann im Lauf der Grundausbildung ausgeweitet werden. Schließlich steigt der Reiter für immer längere Etappen in den Sattel. Zunächst wird auf einfachen Runden ohne nennenswerte Geländeschwierigkeiten mit einem souveränen Begleitpferd Schritt und Trab geritten. Dabei achte ich insbesondere auf die Kontrolle der Linie und wähle ein ruhiges Grundtempo (genau erläutert in meinen Büchern „Jungpferdeausbildung mit System“ und „Feines Dressurreiten im Gelände“). Sobald das Pferd einen gleichmäßigen Takt findet und beginnt, sich loszulassen, dehnt es sich immer wieder und immer öfter auch fein an die Hand heran. Bleibt es auch in den Übergängen zwischen Schritt und Trab gelassen und kann ich nahezu zügelunabhängig durchparieren, steht dem ersten Galopp nichts mehr im Weg. Je nach Pferdetyp, Geländegegebenheiten und persönlicher Präferenzen kann der erste Galopp bereits bei einem der ersten Ausritte zu Beginn der Grundausbildung stattfinden – aber erst dann, wenn das Pferd sich in Schritt und Trab nicht (mehr) „heißläuft“ und man die Zügel nicht zum Bremsen braucht.

Der Reisegalopp nach Udo Bürger

Junge Pferde oder noch nicht so weit ausgebildete Pferde sollen zunächst im „Reisegalopp“ gehen. Dabei handelt es sich um lange Reprisen von mehreren Kilometern, die das Pferd in möglichst gemütlichem Tempo gleichmäßig ruhig vor sich hin galoppiert. Der Reiter sitzt im Remontesitz, also leicht entlastend in Balance und darf keine bestimmte (Hals-)Haltung des Pferdes forcieren. Das Pferd soll mit maximal langem Hals und deutlich geöffnetem Genick, keinesfalls beigezäumt, in natürlicher Remontehaltung vor sich hin galoppieren. Dabei synchronisiert sich der Atemrhythmus mit dem Laufrhythmus, das Pferd atmet also bei jedem Galoppsprung und findet zur Losgelassenheit. In „Der Reiter formt das Pferd“ beschreiben Udo Bürger und Otto Zietzschmann, dass es in der Natur des Galoppsprungs liegt, dass dabei Bauch- und Rückenmuskeln im Wechselspiel an- und abgespannt werden und somit ein effektives Training für Tragen des Reitergewichts stattfindet. Ohne die engen Wendungen der Reitbahn werden die Beine des Pferdes dabei geschont und das Geradeausgaloppieren stellt keine besonderen Ansprüche an das laterale Gleichgewicht, das für sinnvolle Galopparbeit in der Bahn schon deutlich weiter ausgebildet sein müsste. Ein weiterer gesundheitlicher Vorteil dieses Galopptrainings liegt im Training der Lungen: Regelmäßige Galoppaden bei langem Hals an der frischen Luft erhalten und steigern die natürliche Funktion der Atemorgane des Lauftiers Pferd.

Udo Bürger umschreibt den Reisegalopp auch als „Bummeln im Galopp“, was sich meiner Erfahrung nach am leichtesten auf übersichtlichen, sanft ansteigenden Waldwegen ergibt. Dank der seitlichen Begrenzung durch den Wald muss der Reiter die Zügel wenig nutzen, um das Jungpferd in der Spur zu halten. Eventuell muss der Reiter zu Beginn der Galoppstrecke das Tempo noch begrenzen, denn es ist von größter Wichtigkeit bei dieser Übung, dass das Pferd in gediegenem Tempo galoppiert. Aber durch die Länge der Strecke macht das Pferd die Erfahrung, dass das Galoppieren an sich kein seltenes, aufregendes Erlebnis zum Austoben ist, sondern durchaus zur Ermüdung führt und bleibt von sich aus in gesittetem Tempo, bis es schließlich nicht mehr mag und man es am Ende ohne Zügeleinwirkung, allein mit Gewichts- und Stimmhilfen, in den Trab und schließlich den Schritt fallen lassen kann.
Anfangs dürfen die jungen Pferde einfach ausfallen, sobald sie nicht mehr können. Ich sitze danach ab und führe zu Fuß nach Hause, um die Pferde keinesfalls zu überlasten. Im Verlauf der Ausbildung bei ausgewachsenen Pferden komme ich dann jedoch auch bewusst zum Treiben und galoppiere zu Trainingszwecken noch ein wenig weiter, als das Pferd von sich aus vorgeschlagen hätte – aber selbstverständlich nie bis zur Erschöpfung!
Bei Remonten wähle ich mal den Rechts- und mal den Linksgalopp. Sobald ich bewusst Übergänge reiten kann, wechsle ich etwa auf der Hälfte der Strecke, sodass das Pferd langfristig gleichmäßig trainiert wird.

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Bergauf mit Rahmenerweiterung im Entlastungssitz fördert die Schubkraft. (Foto: Phillip Weingand)

 

Natürliches Gleichgewicht, Entwicklung der Fußungsintelligenz und funktionale Form

Während Pferd und Reiter also in beschriebenem Reisegalopp galoppieren, wird der Weg leichte Kurven beschreiben. Galoppiere ich beispielsweise im Linksgalopp, während der Waldweg sich nach rechts wendet, galoppieren wir de facto ein klein wenig im Kontergalopp. Dabei wird das Gleichgewicht spielerisch verbessert und die „Dressurlektion“ Kontergalopp für die spätere Ausbildung in der Bahn vorbereitet.
Des Weiteren wird der Boden stellenweise mal etwas härter sein, mal etwas tiefer. Das Pferd darf durchaus auch mal über einen zur Seite abfallenden Weg, also schrägen Untergrund, galoppieren. Für die Gymnastizierung wichtig ist die Vielfalt, nicht das Extrem! Bei diesem Training erlangt das Pferd Trittsicherheit, verbessert also Fußungsintelligenz und Koordination, wodurch langfristig die Verletzungsgefahr sinkt.
Der Weg wird in den wenigstens Gegenden wirklich bretteben sein. Im Idealfall enthält er stellenweise leichtes Gefälle, wobei das Pferd beim Bergangaloppieren automatisch die Schubkraft trainiert (bei zu wenig Schub kann es den Galopp nicht halten und fällt dann eben aus) und sich beim leichten Bergabgaloppieren auf natürliche Weise ein wenig versammeln wird und die Tragkraft verbessert. Dabei werden sowohl Pferd als auch Reiter ganz flexibel im Gebrauch ihres Körpers und lernen eine Menge über ihr gemeinsames Gleichgewicht, lange bevor das planmäßige Klettern von steileren Geländestellen ansteht und bevor das Pferd sich bei einer Dressurprüfung auf dem Viereck versammeln soll.
Durch die wechselnden Anforderungen durch den Untergrund erfolgen immer wieder kleine Haltungsänderungen. Mal werden sich Pferd und Reiter etwas aufrichten, mal mehr dehnen und entlasten – wie es die Gesetze der Schwerkraft erforderlich machen. In diesen Haltungsänderungen liegt die Wurzel der Gymnastizierung und des Muskelzuwachses begründet. Reiten ist Bewegung! Dysfunktionale, starre Haltungen wie etwa ein gerollter Hals verbieten sich von selbst, denn Form und Funktion sind untrennbar miteinander verknüpft: In fehlerhafter Form kann kein funktionaler Geländeritt stattfinden. Das Pferd wird die Nase vornehmen, damit es sieht, wohin es läuft, und es wird den Hals lang machen, damit es nicht fällt.

Galopplektionen im Gelände

Sobald das Pferd also wie beschrieben hinreichend losgelassen in Remontehaltung galoppieren kann, lassen sich gezielt Galopplektionen im Gelände trainieren. Wichtig bei allen Übungen ist das Einhalten einer Linie: Der Reiter führt sein Pferd wie einen Zug auf Schienen zwischen seinen beiden Beinen und seinen beiden Zügeln auf einer bewusst gewählten Spur. Auf schmalen Pfaden ergibt sich das von selbst, auf breiten Wegen in offener Landschaft muss der Reiter deutlich Führung bieten.

Reiten in wechselndem Rahmen

Im Reisegalopp beginnt das Pferd sich loszulassen und wird dabei auch immer öfter die Anlehnung suchen, sprich von sich aus den ihm gegebenen Rahmen ganz ausnutzen und die Zügelverbindung leicht spannen. Um diese Dehnungsbereitschaft weiter zu fördern und andererseits zu verhindern, dass das Pferd zu sehr „auseinanderfällt“, reite ich häufig in wechselndem Rahmen: Ich nehme bei gleichbleibendem Tempo die Zügel ein wenig auf und nehme dabei auch ein klein wenig mehr im Sattel Platz. Die Grenze zwischen leichtem Sitz und Dressursitz verläuft ja fließend und beim Aufnehmen verringere ich demnach ein klein wenig den Entlastungsgrad. Über mehrere Galoppsprünge hinweg verschieben wir unseren gemeinsamen Schwerpunkt „millimeterweise“ etwas mehr in Richtung Aufrichtung. Im Anschluss daran lasse ich die Zügel wieder um einige Zentimeter herauskauen, schiebe mein Brustbein wieder nach vorn mehr in die Entlastung und lasse das Pferd sich wieder ein wenig tiefer dehnen. Das Tempo muss genau gleich bleiben, wir variieren nur Haltung und Rahmen. Der Unterschied zwischen beiden Haltungen darf anfangs ganz wenig sein. Nach mehreren Wiederholungen wird das Pferd sich immer williger dehnen und sich immer mehr gemeinsam mit dem Reiter aufrichten – genau so weit, wie es sein derzeitiger Ausbildungsstand erlaubt. Wenn das Pferd das Tempo nicht halten kann, hat der Reiter zu viel verlangt.

Trab-Galopp-Übergänge

Eine gute Übung für Losgelassenheit und Gleichgewicht sind mehrere Trab-Galopp-Übergänge hintereinander, wobei jeweils auch zwischen Rechts- und Linksgalopp gewechselt wird. Der Reiter galoppiert im Reisetempo an und wartet so lange, bis das Pferd entspannt galoppiert, dann reitet er einen Übergang in den Trab und reitet wiederum so lange Trab, bis dieser geregelt ist. Dann galoppiert der Reiter erneut an, diesmal auf der anderen Hand und so weiter.
Zu Beginn werden die Übergänge immer dann geritten, wenn es von der Gleichgewichtssituation her gerade passt, und der Reiter lässt sich so viel Zeit für die Vorbereitung der einzelnen Übergänge, wie nötig ist. Später werden Übergänge gezielt geritten, zum Beispiel nehme ich mir vor: „Genau neben dem Baum dort wechseln wir in den Trab.“ Weiter fortgeschritten überlege ich mir einen Rhythmus, zum Beispiel: Sechs Trabtritte – sechs Galoppsprünge – sechs Trabtritte und so weiter.

 Traversalverschiebung

Galopptraversalen sind bekanntlich ziemlich schwierig. In der Reithalle geht gern mal unterwegs „der Ofen aus“. Ernsthaft treiben kann man in einer klassischen Traversale schlecht, das heißt, man benötigt Impulsion vom Pferd.
Ideal also, die Traversalverschiebungen spielerisch im Gelände zu üben. Dort springen die Pferde den Galoppsprung flüssiger durch und bewegen sich natürlich so, als wollten sie noch irgendwo ankommen, also vorwärts der Nase nach. Ich galoppiere im Rechtsgalopp mit Rechtsbiegung auf der linken Seite eines ebenen, breiten Grasweges. Ich versammle in aller Ruhe den Galopp und verschiebe dann einige Galoppsprünge traversalartig Richtung rechter Wegseite. Anfangs wird die Traversale ganz flach, was aber gar kein Problem ist, denn es liegen ja noch Kilometer vor mir. Auf der rechten Wegseite angekommen, mache ich mein Pferd gerade, galoppiere einige Meter geradeaus und lasse dann wiederum einige Galoppsprünge den rechten Schenkel weichen, sodass ich wieder auf der linken Wegseite angekommen bin (siehe Grafik).

Mit zunehmendem Ausbildungsstand und Versammlungsgrad kann die Traversale dann steiler gestaltet werden, sodass wir nach drei Galoppsprüngen tatsächlich auf der anderen Seite angekommen sind. Dank des zwischenliegenden Schenkelweichens wird verhindert, dass das Pferd auf die innere Schulter kippt, und durch das gezielte Geradeausreiten zwischen den Seitwärtsgängen wird sichergestellt, dass das Pferd nicht zu schwanken beginnt.

Wendungen und Arbeitspirouetten

Jeder Feldweg hat einmal ein Ende. Gerade in landwirtschaftlich genutzten Gegenden trifft man also immer wieder auf Neunzig-Grad-Kurven an Feldkanten oder häufig sogar T-Kreuzungen, wo man nach rechts oder links wenden kann.
Diese Ecken sind ideal, um Wendungen zu üben. Zunächst natürlich im Schritt, aber wenn hier Kurzkehrtwendungen und Viertel-, halbe oder ganze Schrittpirouetten gelingen, wird es Zeit für den Galopp: Ich beginne mit groß angelegten Vierteldrehungen, anfangs im Stil einer Traversvolte und später kleiner werdend.
Pirouettenarbeit an T-Kreuzungen im Gelände hat mehrere Vorteile: Zum einen reitet man auf eine optische Begrenzung zu, wodurch das Pferd sich leicht aufnehmen lässt und die Reiterhilfen erwartet, denn dass es geradeaus nicht weitergeht, sieht es ja selbst. Ich wechsle nun ab, wohin ich aus der Pirouette heraus weiterreite, also wie weit ich drehe – mit zunehmendem Ausbildungsstand dann auch um 180, 270 oder die vollen 360 Grad.
So behält der Reiter das Pferd automatisch am inneren Schenkel, und dem in der Reitbahn häufig fehlerhaften „Überdrehen“ der Pirouette wird entgegengewirkt. Pferde, die sonst oft auf die innere Schulter kippen, gelangen zu mehr Gleichgewicht und Erhabenheit in der Pirouette.

 

Buchtipp
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Katharina Möller
Feines Dressurreiten im Gelände
Cadmos Verlag
19,90 €
ISBN 978-3-8404-1045-1

 

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Category: Dressur

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