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Marius Schneider: Mit Links gemacht

von Marius Schneider +++ LESEPROBE aus Feine Hilfen 35 +++

 

„Das habe ich mit links gemacht“ ist eine häufig verwendete Redensart, die üblicherweise ausdrückt, dass eine bestimmte Tätigkeit einfach auszuführen ist. Damit soll deutlich werden, dass der Umgang mit einer bestimmten Sache, ohne große Mühe geschieht und selbst für einen Rechtshänder problemlos mit der linken Hand zu schaffen ist. Stellt sich nun die Frage, was diese Redensart mit der Reitkunst verbindet? Denn eines ist klar…

Jeder Pferdemensch weiß, dass die Begriffe „einfach“ und „Reitkunst“ nicht zusammenpassen können. Das gilt insbesondere, wenn man sich mit dem Thema „Einhändiges Reiten“ beschäftigen möchte. Das Reiten mit einer Hand ist allerdings für jeden Reiter eine Erfahrung, die den Reittechniker vermehrt zum Reitkünstler ausbildet. Zugleich sollte das einhändig geführte Pferd ein anzustrebendes Ziel jeder Ausbildung sein, wenngleich eine tägliche Anwendung nicht dringend notwendig ist. Denn nicht ohne Grund wird der aufmerksame Betrachter alter Schriften und Stiche schnell feststellen, dass es bei jeglicher Gebrauchsreiterei immer nur eine Hand ist, die sich mit dem sensibelsten Bereich des Pferdes verbindet!„Mit links“ bezieht sich in diesem Artikel auf die Hand, die den Zügel aufgenommen hat. Beim einhändigen Reiten werden die Zügel traditionell in die linke Hand genommen und durch den kleinen Finger unterteilt. Dabei wird der linke Zügel unter dem kleinen Finger geführt und der rechte Zügel unter dem Ringfinger. Nach dem Schließen der Reiterhand und dem damit verbundenen Umschließen der Zügel wird der Daumen zur besseren 

Fixierung beider Zügel oben auf den Zügelenden abgelegt. Es empfiehlt sich hierbei, beide Zügelenden fächerförmig auseinanderzulegen, um diese durch den Daumen zu fixieren. So ist ein schnelles Verkürzen oder Verlängern des jeweiligen Wunschzügels sichergestellt. Auf diese Weise entsteht eine Grundhaltung der Reiterhand, die dazu dient, dass sich das Pferd von hinten nach vorne über die Wirbelsäule mit korrekt platzierter Hüfte an die Hand des Reiters dehnen kann. Durch die vorgelagerte innere Hüfte des Pferdes soll ein eigenständiges Tragen geschult werden, damit der innere Zügel stets eine Leichtigkeit erhält und der äußere Zügel vom Pferd akzeptiert wird. Damit wird das Führen der Schultern zwischen den Zügeln um ein Vielfaches verbessert, was für die Schulung eines einhändig gerittenen Pferdes essenziell ist. Der innere Zügel kann auf die innere Schulter einwirken und diese nach außen führen. Durch das reine Anlegen des Leders ohne jeglichen Zug am Zügel kann das Pferd bereits reagieren. Das Gleiche gilt für die äußere Schulter, die durch den äußeren Zügel nach innen geführt werden kann.

Besonders beim Verkleinern oder auch beim Wenden muss darauf geachtet werden, dass der äußere Zügel keinerlei rückwärtswirkende Hilfen am Gebiss vermittelt. Jegliche rückwärtswirkende Zügelhilfe wird ein geschmeidiges Wenden der Schulter verhindern und blockiert das vorwärtsschwingende Hinterbein des Pferdes.

Die Einwirkung

Zusammenfassend können die Einwirkungsmöglichkeiten der Reiterhand in zwei Arten aufgeteilt werden. Zum einen kann sie mittels Kandare auf das Genick und den Unterkiefer des Pferdes einwirken und somit die Losgelassenheit und den Anlehnungsrahmen bestimmen. Zum anderen wird die Schulter des Pferdes zwischen den Zügeln gewendet. Ein zu starkes Wenden wird über den inneren Zügel aufgefangen, während ein zu geringes Wenden über den äußeren Zügel verbessert werden muss.

Für eine verständliche Handhabung bei der einhändig gefassten Kandare müssen verschiedene Varianten der Zügeleinwirkung unterschieden werden. Neben der oben beschriebenen Grundhaltung gibt es zum einen die schließende und öffnende Hand, welche, ähnlich der geteilten Zügelführung, minimale Signale an das Maul sendet. Weitere Ähnlichkeiten sehen wir bei der aufnehmenden und nachgebenden Hand. Die hebende und senkende Hand mit gleichzeitigem Annehmen und Nachgeben findet vor allem bei der einhändig gefassten Kandare Verwendung. Aufgrund der Hebelwirkung kann die Reiterhand in einem gewissen Maß hebend zurückgeführt werden, ohne dabei gleichzeitig rückwärts gegen das Pferd zu wirken.

Durch ein Kippen der Faust kann ein einseitiges links oder rechts Aufnehmen des Zügels ausgeführt werden. Die fächerförmige Splittung der Zügel, die oberhalb des Zeigefingers verlaufen, bietet zudem ein schnelles Verkürzen und Verlängern der einzelnen Zügel. Somit kann die Mechanik der Kandare bestens ausgeschöpft werden und bietet zeitgleich eine sehr sanfte und auf beide Unterbäume verteilte Kontaktaufnahme der Reiterhand bis hin zum Maul des Pferdes. Doch wozu ist das einhändige Reiten eigentlich gedacht und wird es heutzutage überhaupt noch praktiziert? Bei dieser Frage erkläre ich immer gerne, dass beim Reiten mit zwei Händen wesentlich mehr Spielraum zum „Tricksen“ geboten wird als mit einer Hand.

 

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Category: Dressur

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