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SAÚDE GOLEGÃ! Auf ein Glas Água-Pé zur Feira Nacional do Cavalo

von Marvin Vroomen +++ TEASER & LESEPROBE aus Feine Hilfen 39 +++

(Foto: Frédérique Lavergne/aus Feine Hilfen 39/Reitkunst in Portugal)

Um den Lusitano, seine Geschichte sowie die Landeskultur Portugals zu entdecken, lohnt sich eine Reise zur Feira Nacional do Cavalo nach Golegã. Das bekannte Pferdefest im Westen der Iberischen Halbinsel gilt als Mekka der Lusitano-Liebhaber. Zwischen den Flüssen Tago und Almonda öffnet die Feira da Golegã die Tür in eine Zeit, in der das Pferd – der Lusitano –, der aktuell im modernen Dressursport und der Working Equitation einen absoluten Hype erlebt, vor allem als Freund und Partner bei der Arbeit zu Pferde und festlichen Anlässen geschätzt und geachtet wird. Ein zu Ehren des Pferdes und zum Wahren der Kultur und Tradition.

Im November liegt alljährlich Nebel über Golegã und verzaubert das kleine Städtchen im Distrikt Santarém, etwa eineinhalb Autostunden nördlich von Lissabon, zum Treffpunkt der Lusitano-Freunde. Als typischer Ort im Ribatejo, einer Region in der Tejo- Ebene, die früher unter diesem Namen als eine von elf Provinzen Portugals geführt wurde, ist Golegã seit dem 19. Jahrhundert insbesondere für seine Pferde- und Stierzucht sowie für den Stierkampf berühmt. Zum Sankt- Martins-Markt, der Feira de São Martinho, um den 11. November treffen sich die Liebhaber portugiesischer Pferde zur Feira Nacional do Cavalo (FNC) in Golegã. Dieses seit dem 18. Jahrhundert jährlich stattfindende Pferdefest gilt als das wichtigste Pferdeereignis in ganz Portugal. Normalerweise ist Golegã eine verschlafene Kleinstadt mit vielen kleinen Gassen, die den Marktplatz säumen. Einmal pro Jahr wimmelt es in den extra hierfür festlich geschmückten Straßen und Gassen von Menschen, Pferden und Kutschen. An jeder Ecke kann man nun geröstete Maronen kaufen. Ihr Duft und der mit der Röstung entstehende leichte Nebel ziehen durch die Stadt und verschaf- fen dem sonst eher unscheinbaren Ort ein dramatischeres Antlitz. Bei dem Volksfest, das jedes Jahr mehr und mehr pferdebegeisterte Touristen in seinen Bann zieht, handelt es sich jedoch weder um einen Vieh- noch um einen Pferdemarkt. Hier trifft sich das Who’s who der Lusitano-Szene, Pferdebesitzer, Lusitano-Züchter und Liebhaber der Rasse sowie Fans der Working Equitation, zum Sehen und Gesehenwerden. Wer etwas auf sich und seine Pferde hält, präsentiert sich in feinster, traditioneller Robe auf dem Marktplatz und reitet Runde um Runde in der Manga, einer Art großer Ovalbahn, die rund um den Hauptreitplatz verläuft.

Wenige Autos, aber viele PS

Etwa zehntausende Pferdehufe betreten im Laufe der elftägigen Feira den großen Sandplatz, der sonst der Stadt als Marktplatz dient. Die Einwohner von Golegã vermieten Haus und Hof zu diesem speziellen Ereignis, und es scheint, als würde sich hinter jeder Tür, hinter jedem Tor der typisch portugiesischen Kleinstadt ein Pferdestall befinden. Wird man in einen der Hinterhöfe eingeladen, entdeckt man Pferdeboxen und Ställe sowie kleine Arenen und Reitplätze, umrandet von Zitrus- und Oliven- bäumen. In diesem privaten Ambiente werden oftmals Geschäfte gemacht: Auch heutzutage wechseln während des Pferdefestes viele Pferde den Besitzer. Zum Verhandeln reicht eine Bierbank, ein Glas Wein, dazu ein paar Oliven, und per Handschlag ist der Kauf abgeschlossen. Auch zahlreiche Tavernen, Bars und Diskotheken sind in den Hinterhöfen zu finden. Sie können sowohl zu Fuß als auch zu Pferde betreten werden. Zugegeben: Es wirkt etwas surreal, wenn ein Hengst auf einer beleuchteten Tanzfläche piaffiert – das wäre in Deutschland undenkbar. Die Verbundenheit und Partnerschaft von Mensch und Pferd in einem Duftgemisch aus Pferdeschweiß und Água-pé, dem portugiesischen Tresterwein (der bevorzugt in Herbst und Winter verkostet wird), ziehen den Betrachter jedoch garantiert in ihren Bann.

In Golegã ist alles Lusitano

Der Weg durch die Gassen zurück zum Marktplatz lädt zum Schlendern und Shoppen ein. Die bunten Stände reichen von Delikatessen über Drinks, Accessoires bis zu Mode sowie Reitequipment und erinnern an einen Mix zwischen Jahrmarkt und Messe. Auch namentlich scheint sich hier in Golega alles um den Lusitano zu drehen. Vom „Hotel Lusitano“ über den Supermarkt „Super Lusitano“ bis zum „Restaurante Lusitanus“ ist an jeder Ecke die Verehrung des Lusitanos zu spüren. Rund um den Marktplatz präsentieren sich die Gestüte mit ihren Ständen. Diese bestehen aus einem kleinen Holzhaus, der Caseta, in dem man zusammensitzen kann, sowie einigen Ständern zur Präsentation der Pferde. Einer der berühmtesten Stände ist wohl jener der Coudelaria Ortigão Costa, deren prächtige Rapphengste, in Reih und Glied aufgestellt, den typvol- len Lusitano veranschaulichen sollen. Bedenkt man, dass knapp 90 Prozent aller Pferde, die hier zur Feira kommen, Hengste sind, erstaunt es, wie ent- spannt die Pferde sind und wie selten es zu Unfällen kommt. Reitkappen sieht man hier eher selten. Sie passen nicht zur landestypischen Tracht. Schon die Jüngsten legen Wert auf ein angemes- senes Outfit und reiten mit Hut oder portugiesischer Schiebermütze. Trotzdem sollte die Sicherheit an erster Stelle stehen. Denn Sicherheit und Tierschutz sind die meistdiskutierten Themen im Organisationsgremium der FNC. Und das zu Recht: Unter all den Pferden, die in Golegã zu sehen sind, befinden sich auch solche, die nicht danach aussehen, als wäre das Pferdefest der geeignete Ort für sie. Man sieht abgemagerte Pferde, gestresste Pferde und Pferde mit Reitequipment, das sogar die Tradition verbietet. Einige Züchter haben sich über die Jahre von der Feira distanziert. Es heißt, die Feira gleiche von Jahr zu Jahr mehr einem Jahrmarkt, und der Alkoholkonsum sei stark gestiegen. Tatsächlich sieht man zu später Stunde Betrunkene auf ihren Pferden, die den Glanz der sonst hier gelebten Tradition und Partnerschaft verblassen lassen. In diesen Augenblicken wird einem bewusst, dass es auch in Golegã Schattenseiten gibt. Trotz Maßnahmen wie einer Pferdepolizei, der man unreiterliches Verhalten melden kann, und einer Sperrstunde für Pferde kommt es leider immer wieder zu unschönen Szenen.

Show, Sport und Leidenschaft

Neben dem allgemeinen Show-off von Pferd und Reiter, die sich auf der Ovalbahn um den Marktplatz wie auf einem Laufsteg tummeln, werden auf dem großen Reitplatz in der Mitte des Marktplatzes während der zehntägigen Feira auch Prüfungen abgehalten in den Disziplinen, Dressur, Springen, Fahren und Working Equitation sowie eine Exterieurprüfung. Neben dem Marktplatz dient als Austragungsort auch das etwa 15 Minuten entfernte Hippos Golegã, das mit seinen bis zu vier Dressurvierecken sowie einem Springplatz einer modernen Turnier- sportanlange gleicht. Vor allem Dres- surprüfungen werden hier bis zum Grand Prix durchgeführt. Wer sich qualifiziert, hat die Möglichkeit, an der einzigartigen Flutlicht-Kür auf dem Marktplatz teilzunehmen. Bei diesem Event wie auch bei den Vorstellungen der drei- bis fünfjährigen Hengste an der Hand sind die Ränge rund um den Marktplatz besonders gut gefüllt. Genauso wie bei den abendlichen Show-Highlights, die meist unter der Regie des bekannten Luís Valença in Kooperation mit der Escola Portuguesa de Arte Equestre entstehen. Zu Licht und Musik werden in kreativen Schaubildern die Beziehung von Mensch und Pferd sowie die Liebe zur Tradition demonstriert. Wer ein bisschen mehr Action sucht, ist bei den Trail-Prüfungen der Working Equitation bestens aufgehoben. Die Equitação de Trabalho erfreut sich immer mehr internationaler Anhänger und begeistert die Besucher mit den vielseitigen Disziplinen sowie der damit zusammenhängenden Ausbildung der Pferde und deren Eignung für diesen Zweck. Hier überzeugt der Lusitano als Wettkampfpferd in Ledergamaschen, Arbeitssattel, eng an der Halslinie geflochtener Mähne und hochgebundenem Schweif, der die muskuläre Hinterhand zur Geltung bringen soll. Für Liebhaber der Rasse geht es allerdings nur sekundär um die physische und psychische Leistungsfä- higkeit, sondern primär um die Freude, ihre Pferde in traditioneller Aufma- chung einem interessierten Publikum vorzustellen. Wer den Anblick der Reiter und Pferde in ruhiger und gesetzter Atmosphäre genießen möchte, kann im Restaurant der Picadeira Lusitanus Platz nehmen. Das Restaurant mit freiem Blick in die traditionelle, sehr elegante Reithalle lockt mit den kulinarischen Klassikern wie Bacalhau (Kabeljau) oder Cordeiro (Lamm). Die mit Stolz und Leidenschaft gelebten Bräuche machen die Faszina- tion von Golegã aus. Ein Gläschen Wein zu Fado-Klängen, ein Plausch unter Insidern an jeder Ecke – es ist der ganz besondere Charme, der Golegã zur Hauptstadt des Pferdes, zur „Capital do Cavalo“, macht.  

Marvin Vroomen

…schreibt regelmäßig in FEINE HILFEN und bildet Reiter und Pferde auf Grundlage der klassischen Reitlehre aus. Neben seinen redaktionellen Tätigkeiten beschäftigt er sich mit der schonenden, gesunderhaltenden Ausbildung von Pferden und hegt ein Faible für die iberischen Pferderassen, Länder und Kulturen. Weitere Infos

 

 

 

 

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Category: Dressur

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