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Seitengänge bei Exterieurproblemen?

Feine Hilfen im Interview mit Ausbilder Johannes Beck-Broichsitter
– eine Leseprobe aus der aktuellen Ausgabe

 

Feine Hilfen: Macht die Erarbeitung der Seitengänge
bei Pferden mit ungünstigem Exterieur überhaupt
Sinn?
Johannes Beck-Broichsitter: Auf jeden Fall! Denn gerade diese
Pferde profitieren von der Gymnastizierung. Man muss aber
etwas anders an die Aufgabe herangehen und mit sehr geringen
Anforderungen starten. Bei einem Fjordpferd zum Beispiel,
das den Eindruck erweckt, der Hals gehe gleich über in den Kopf,
kann man nicht viel Stellung erwarten. Man muss sich zunächst
bemühen, diese Pferde erst einmal lang zu reiten, versuchen, den
Hals etwas länger werden zu lassen. Anschließend kann man aus
der Länge heraus die Stellung und letztendlich auch die Biegung
bekommen. Für einen kurzen Moment kann man die Idee eines
Schultervor anbieten, um danach das Pferd gleich wieder lang zu
lassen. Das ist oft ein Weg, der gut gelingt, aber man muss bei
jedem Pferd ausprobieren, ob das funktioniert.
Feine Hilfen: Gibt es weitere Problemfälle, was das
Exterieur angeht?
Johannes Beck-Broichsitter: Das andere Extrem ist das Pferd
mit dem sehr langen und dünnen Hals. In diesem Fall kommt dazu,
dass die Arbeit in den Seitengängen für diese Pferde sehr anstrengend
ist. Hier muss man sich sicher mit noch weniger zufriedengeben
wie im Fall des Pferdes mit einem kurzen und
kräftigen Hals. Für beide Extreme gilt: Mit sehr, sehr wenig anfangen
und mit wenig zufrieden sein.
Feine Hilfen: Da Stellung und Biegung in diesen Fällen
zu Beginn nur in sehr geringem Maß möglich sind,
stellt sich die Frage: Gibt es einen Anhaltspunkt, der
einen Hinweis darauf gibt, dass die Lektion richtig
umgesetzt wird?
Johannes Beck-Broichsitter: Ja, den gibt es. Es war gut, wenn
das Pferd sich hinterher auch nur in geringem Maße besser zeigt,
was die Regulierung des Tempos betrifft oder das Herandehnen
an den Zügel. Manchmal merkt der Reiter, dass er an beiden Zügeln
besseren, gleichmäßigeren Zug hat. Diese Punkte gehören
eigentlich zu den Zielen, die mit der Erarbeitung der Seitengänge
erreicht werden sollen, sie können aber auch schon für die Überprüfung
verwendet werden. Daher macht es Sinn, nach ersten
Schultervor-Tritten zum Beispiel auf den Zirkel zu gehen und eine
kurze Überprüfung einzuschieben. Wenn der Reiter feststellt,
dass nach einem Schultervor Volten besser gelingen, hat der Reiter
es richtig gemacht.

Feine Hilfen: Wie beginnt man am besten die Arbeit
an den Seitengängen, wenn das Pferd einen kurzen
und sehr kräftigen Hals hat?
Johannes Beck-Broichsitter: Das erste Ziel ist es, den Hals etwas
länger zu bekommen, so lang wie es geht. Erst mit längerem
Hals wird schließlich eine Lektion geritten, die dem Pferd etwas
abfordert. Ein möglicher Ablauf könnte sein, dass die Reiterin
zunächst auf dem Zirkel reitet, dann den Zirkel verkleinert und –
anschließend, eine meiner liebsten Übungen – aus der Biegung
des kleineren Zirkels wieder den Zirkel vergrößert und dabei die
Biegung beibehält. So hat man gewissermaßen auf dem kleineren
Zirkel eine Schultervor-Position und reitet wie im Schultervor
mit dieser Biegung hinaus. Dabei nimmt man die Biegung
auf die lange Seite mit. Das ist der Ansatz zum Seitengang. Dadurch
wird das Pferd schon in den Seitengang oder in die Vorstufe
vom Seitengang hineingebracht, ohne dass es dies merkt.
Für das Pferd ist es angenehm, aus der anstrengenden Biegung
auf dem engen Zirkel herauszukommen. In gewisser Weise
kann man dem Pferd vermitteln: Jetzt kannst du über die äußere
Schulter weg. Sobald man aber an der Bande ist, begrenzt die
Bande beziehungsweise muss in diesem Moment der äußere Zügel
wieder kommen, um die äußere Schulter zu bewachen. Man
macht sich bei diesem Vorgehen verschiedene Faktoren zunutze.

Feine Hilfen: Wie könnte man darauf aufbauen?
Johannes Beck-Broichsitter: Aufbauend könnte man auf
die Arbeit auf dem Zirkel verzichten, gleich an der langen Seite
in ein Schultervor hineingleiten und wieder ganze Bahn reiten.
Dabei reitet man Schultervor, aus dem Schultervor eine Volte
und daran anschließend ein Schulterherein, sodass man den
Anspruch ein wenig steigert. So kommt man aus der Ecke heraus
innerhalb weniger Abläufe und Bewegungsphasen hinein ins
Schulterherein. An dieser Stelle zitiere ich gern eine Forderung
von Egon von Neindorff: In der Reihenfolge der Wichtigkeiten
bei den Seitengängen gilt Takt, Tempo, Stellung,
Biegung, und erst dann ganz zum Schluss kommt der Abstellungswinkel.

Feine Hilfen: Der Abstellungswinkel wird vermutlich
oft zu sehr betont?
Johannes Beck-Broichsitter: Ja, das ist etwas, was oft zu sehen
ist, wenn es um Seitengänge geht, egal ob es ein Schulterherein
oder ein Kruppeherein ist. Viele Reiter haben die Tendenz,
sofort viel Abstellung zu geben. Das hat jedoch oft zur Folge,
dass ein Schulterherein mehr zum Schenkelweichen wird oder
sich das Pferd im Hals verbiegt. Der richtigere Weg ist es, dem
Pferd die Arbeit allmählich schmackhaft zu machen und den Abstellungswinkel
allmählich zu steigern. Man muss sich bewusst
machen, dass es auch eine Sache des Gleichgewichts ist und das Pferd
dies erst entwickeln muss. Wenn zu viele Anforderungen
auf einmal und gleichzeitig gestellt werden, wird es schwierig.

Das komplette Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe.

Category: Besondere Themen

Comments (3)

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  1. Frank Heilmann sagt:

    Das physiologisch richtige und damit gesunde Gymnastizieren
    ist der Schlüssel dazu, das Frau Vogts These: Reiten sei unzeitgemäße Quälerei falsch wird.

    Nach vielen Jahren der Nivellierung des reiterlichen Könnens und Wissens nach unten,
    und der Simplifizierung der Bewegung auf das WAS anstatt des WIE in Turnier- und Breitensport,
    wäre es jetzt zeitgemäß sich an die klassische Ausbildung zu erinnern.

    Aber wie Herr Beck-Broichsitter schon sagt, auch das muß richtig gemacht werden um gut zu sein.
    Also gelernt werden. Damit gehen Forderungen nach qualifizierterem Reitunterricht und qualifizierteren
    Schulpferden, die ihren Namen verdienen einher.

  2. Schöne Erklärungen! Ich habe euren Link auf https://www.facebook.com/welovepferde geteilt 😉 Weiter so!

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